Virtualisierung und softwaredefinierte Autos
Modulare Technologien bieten Upgrades für softwaredefinierte Fahrzeuge
Brandon Lewis für Mouser Electronics
Quelle: CYBERUSS/stock.adobe.com
Moderne Fahrzeuge sind Wunderwerke der Technik, ausgestattet mit einer Fülle an Funktionen, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren. Hinter ihrem makellosen Äußeren verbirgt sich jedoch eine wachsende Komplexität, die eine große Herausforderung für die Zukunft der Automobilindustrie darstellt: der ständig zunehmende Bedarf an fahrzeuginternen Computern und die damit verbundenen Auswirkungen auf elektronische Steuergeräte (Electronic Control Units, ECUs).
ECUs sind spezialisierte Computer, die in Fahrzeugen zahlreiche sicherheitsrelevante sowie nicht sicherheitsrelevante Aufgaben übernehmen. So verfügen die meisten Autos heute über eine ECU, die den Motor steuert, eine weitere, die die Bremsen bedient, eine weitere, die die Unterhaltungssysteme steuert, und so weiter. Untereinander sind diese ECUs durch Kabel, Drähte und Software verknüpft, die zusammengenommen das Nervensystem des Autos bilden.
Dieses komplexe Netzwerk ermöglicht zwar fortschrittliche Funktionen, hat aber auch seine Nachteile. Die schiere Anzahl an ECUs und ihrer Wechselwirkungen führt zu einem Labyrinth an kabelgebundenen Verknüpfungen. Dies erhöht das Gewicht und die Kosten des Systems, verkompliziert die Integration und die Softwareentwicklung, und schränkt die Möglichkeit ein, Firmware-Updates-Over-the-Air (FUOTA) zu nutzen und zu verwalten. Ohne Fähigkeiten wie FUOTA müssen Autohersteller jedoch teure Werkstattbesuche in Kauf nehmen, und Autobesitzer müssen mit langen Ausfallzeiten ihres Fahrzeugs rechnen.
Die gute Nachricht ist, dass das Zeitalter softwaredefinierter Fahrzeuge (Software-defined Vehicles, SDVs) die Automobilbranche grundlegend verändern wird, einschließlich ECUs und Fahrzeugarchitekturen.
Treibende Kräfte der SDV-Revolution
Die Entwicklung hin zu SDVs hat nicht nur mit veränderter Software zu tun; sie ist vielmehr eine tiefgreifende Umstrukturierung der internen Fahrzeugarchitektur. Im Zentrum dieser Revolution steht das Konzept der ECU-Konsolidierung, eine Neubewertung der Steuerungs- und Verarbeitungshierarchien im Fahrzeug, die niedrigere Kosten, höhere Leistungen und zukünftig kontinuierliche Leistungsverbesserungen mithilfe von Software-Updates ermöglichen soll.
Eine der Innovationen, die aus der ECU-Konsolidierung hervorgeht, ist die Verwendung von Zonenarchitekturen – die Unterteilung verschiedener Fahrzeug-Subsysteme in Zonen mit ähnlicher Funktionalität. Zonenarchitekturen stellen sich den Herausforderungen der gegenwärtig ausufernden ECU-Anordnungen, indem sie einzelne Fahrzeugsysteme in unterscheidbare Bereiche unterteilen. Jede einzelne Zone wird von einem leistungsstarken Controller gesteuert, der die Funktionalität mehrerer älterer ECUs in seinem Bereich konsolidiert und für bestimmte Subsysteme wie Antriebsstrang, Fahrwerk oder Infotainment verantwortlich ist.
Dieser modulare Ansatz bietet verschiedene Vorteile:
- Verringerte Komplexität, vereinfachte Verkabelung: Gegenwärtig bildet das Verkabelungssystem von Autos ein chaotisches Netzwerk, das sich mithilfe von Zonenanordnungen umfassend vereinfachen lässt. Zonentopologien verringern Gewicht und Kosten, indem sie statt unzähliger Punkt-zu-Punkt-Verbindungen weniger Kopplungen mit hoher Bandbreite zwischen Zonen verwenden. Die Folge sind kleinere Kabelstränge.
- Erhöhte Robustheit: Weniger ECUs bedeuten weniger potenzielle Schwachstellen und Angriffsflächen für Cyberbedrohungen. Dank zentralisierter Verarbeitungs- und Ressourcennutzungsfähigkeiten bieten Zonenarchitekturen mehr Redundanz und Sicherheit, wodurch SDVs resilienter gegen Fehlfunktionen und externe Gefahren werden.
- Virtualisierung und Containerisierung: Zonenarchitekturen ebnen den Weg für die Virtualisierung, die als Gamechanger für die Softwareentwicklung gilt. Mehrere Softwareanwendungen können jetzt auf einem einzigen leistungsstarken System ausgeführt werden, und zwar unabhängig voneinander durch Containertechnologie. Dies ermöglicht Updates und erweiterte Funktionen, um einen nahtlosen, modularen Softwareentwicklungsansatz zu schaffen.
- OTA-Updates: Dank Zonenarchitekturen und Konnektivität mit hoher Bandbreite können SDVs durch Over-the-Air (OTA)-Updates kontinuierlich weiterentwickelt werden. SDVs können in Echtzeit Leistungsverbesserungen, Fehlerbehebungen und sogar völlig neue Funktionen über Funk empfangen, sodass sie sich auch noch lange nach dem Kauf wie „neu“ anfühlen.
Die Konnektivität mit hoher Bandbreite, die als Hochgeschwindigkeits-Datenautobahn von SDVs fungiert, erschließt das Potenzial von Fahrzeugarchitekturen der nächsten Generation. Durch eine verbesserte Vernetzung erhöht sich die Fähigkeit, kontinuierliche OTA-Updates bereitzustellen, die SDVs über Jahre hinweg wie neu funktionieren lassen und wiederkehrende Umsatzmodelle durch Software-Abos und anpassbare Fahrerlebnisse erschließen.
Das virtuelle Fundament von SDVs
Zonenarchitekturen bilden das Gehirn von SDVs; ihr wahrer Reiz geht jedoch von ihrem virtuellen Fundament aus. So wie eine Stadt eine robuste Infrastruktur benötigt, um verschiedene Aktivitäten zu unterstützen, sind SDVs auf Virtualisierungstechnologien wie virtuelle Maschinen (VMs) und Container angewiesen, um die Software zu orchestrieren, die sie am Laufen hält.
VMs bieten sichere, partitionierte Ausführungsumgebungen für unterschiedlichste Software-Workloads. Im Wesentlichen können VMs als virtuelle Computer innerhalb der zentralen oder semi-verteilten zonalen Controller von SDVs dienen, wobei jede VM für bestimmte Aufgaben wie Motormanagement, Fahrerassistenz oder Infotainment zuständig ist. Diese Modularität bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich:
- Entwicklungseffizienz: VMs vereinfachen die Softwareentwicklung, indem sie verschiedene Projekte und Funktionalitäten isolieren. Entwickler können so an Updates einzelner Bereiche arbeiten, ohne andere zu beeinträchtigen, was zu mehr Effizienz und weniger Testkomplexität führt.
- Dynamisches Skalieren: VMs passen sich an wechselnde Anforderungen an. So kann beispielsweise eine VM, die für die Navigation zuständig ist, ihre virtuellen Ressourcen dynamisch erweitern und bei schwierigen Navigationen mehr Rechenleistung beanspruchen, um ein nahtloses Nutzererlebnis zu gewährleisten.
- Erhöhte Sicherheit: Bei extremer Workload-Konsolidierung bieten VMs eine unerlässliche Trennung für Software mit gemischter Kritikalität, deren Unterhaltungsfunktionen ein geringeres Risiko darstellen als die Steuerung der Bremsen. Diese Trennung stellt sicher, dass eine Fehlfunktion in einer VM die kritischen Operationen einer anderen nicht beeinträchtigt, was die Sicherheit des gesamten Systems erhöht.
Kurz gesagt bieten VMs eine vollständige Ausführungsumgebung für Software. Container sind hingegen leichtgewichtige, tragbare Einheiten, die alles enthalten, was zur Ausführung eines bestimmten Softwaremoduls erforderlich ist. Dieser Ansatz ist seinerseits mit bedeutenden Vorteilen verbunden:
- Schnelle Bereitstellung und Aktualisierung: Die Bereitstellung neuer Funktionen oder Fehlerbehebungen ist mit Containern sehr viel schneller. Updates können modulweise ausgerollt werden, was Ausfallzeiten und potenzielle Risiken minimiert.
- Modellübergreifende Skalierbarkeit: Da Container plattformunabhängig sind, kann ein und dieselbe containerisierte Funktion auf unterschiedlichen SDV-Plattformen ausgeführt werden, und zwar ungeachtet der jeweiligen Hardwarevariationen. Das verringert die Entwicklungs- und Wartungskosten für Autohersteller erheblich.
- Zentralisierte Steuerung und Überwachung: Verwaltete Container geben Autoherstellern zentralisierte Steuerungs- und Überwachungsmöglichkeiten. Stellen Sie sich eine Schaltzentrale vor, die die Leistung jedes einzelnen Softwaremoduls in Echtzeit übermittelt. Dies würde eine schnelle Diagnose und koordinierte Reaktionen auf Sicherheitsbedrohungen oder kritische Fehlfunktionen ermöglichen.
Die Modularität mit VMs und Containern hilft Autoherstellern, der Zeit voraus zu sein und ihre Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Durch ihre Modularität sind SDVs dazu in der Lage, neue Software- und Hardwareentwicklungen problemlos zu integrieren. Sie möchten das Unterhaltungssystem in Ihrem Fahrzeug mit den neuesten KI-Funktionen aufrüsten? Tauschen Sie einfach den entsprechenden Container gegen eine aktualisierte Version aus.
Diese Anpassungsfähigkeit garantiert, dass die Technologie in SDVs auf dem neusten Stand bleibt und sich an die sich ändernden Branchenanforderungen anpasst, damit Autohersteller auch weiterhin an der Spitze von Automotive-Innovationen stehen. Diese Entwicklungen führen zum Ende des herkömmlichen ECU-Paradigmas und zum Anbruch einer neuen Ära flexibler, aufrüstbarer und fortwährend veränderlicher Automobile.
SDVs auf der Straße
Tesla ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Branche durch die Einführung von Zonenarchitekturen und OTA-Updates vorankommt. So verfügen die Tesla-Modelle S und X über einen einzigen, leistungsstarken Full Self Driving (FSD)-Computer, der Aufgaben übernimmt, die zuvor von vielen unabhängigen ECUs verwaltet wurden. Diese schlanke Architektur reduziert Gewicht und Komplexität und eröffnet durch Software-Updates eine Welt der Möglichkeiten.
Stellen Sie sich vor, dass ein einziges OTA-Update die Reichweite Ihres Tesla über Nacht um rund 20 km erhöht. Genau das passierte im Jahr 2020, was die Fähigkeit softwaregesteuerter Leistungssteigerungen gekonnt unterstreicht. Doch geht es Tesla keineswegs nur um Reichweiten. Im Jahr 2022 führte Tesla die „Summon“-Funktion ein, die es Besitzern ermöglicht, ihr Fahrzeug mithilfe einer Smartphone-App aus der Ferne zu parken und herbeizurufen – eine undenkbare Funktion in hardwaredefinierten Fahrzeugen.
Tesla ist jedoch keineswegs der einzige Spieler auf diesem Feld. Die neue EQS-Limousine von Mercedes-Benz nutzt eine modulare elektrische Architektur und legt damit den Grundstein für zukünftige softwaredefinierte Funktionen. Und auch Volvo setzt Zonenarchitekturen ein, während Toyota und GM aktiv ähnliche Konzepte erforschen. Die weltweite Automobillandschaft befindet sich im Wandel, und SDVs treiben diesen Wandel eindeutig voran.
Neben Autoherstellern stellen sich auch Zulieferer auf Veränderungen ein. Unternehmen wie NXP Semiconductors und Bosch entwickeln robuste, zentralisierte Controller, die explizit für Zonenarchitekturen bestimmt sind. Dieses im Aufwind befindliche Ökosystem fördert Innovationen und stellt die nötige Hardware-Infrastruktur zur Verfügung, damit die SDV-Revolution vorankommen kann.
Fazit
Der Aufstieg der SDVs stellt für den Automobilsektor einen entscheidenden Wendepunkt dar. Zonenarchitekturen mit zentralisierter Verarbeitung und modularem Aufbau ermöglichen eine Zukunft fortwährender Innovationen. Stellen Sie sich Fahrzeuge vor, die lernen, sich anpassen und individuelle Updates empfangen können, die das Fahrerlebnis verbessern und die Leistung an individuelle Bedürfnisse anpassen. Oder Autos, die sich mit Ihnen (und nicht nur neben Ihnen) weiterentwickeln und mit der Zeit immer innovativer, sicherer und effizienter werden.
Die Möglichkeit, kritische Systeme wie Bremsen und Kollisionsvermeidungssoftware aus der Ferne zu aktualisieren, verspricht eine erhebliche Verbesserung der Verkehrssicherheit. Darüber hinaus kann die kontinuierliche Optimierung der Motorleistung und des Energiemanagements durch Software-Updates den Weg für einen sauberen und nachhaltigen Verkehr der Zukunft ebnen.
Auf dem Weg, der vor uns liegt, befindet sich jedoch das eine oder andere Schlagloch. Alles steht und fällt mit der Sicherheit und Verlässlichkeit der Software-Updates. Aufsichtsbehörden und Hersteller müssen zusammenarbeiten, um tragfähige Cybersicherheitsprotokolle für diese vernetzten Fahrzeuge auszuarbeiten. Darüber hinaus machen Systeme mit gemischter Kritikalität, bei denen Funktionen wie Unterhaltung und Bremsen unterschiedliche Sicherheitsanforderungen haben, ausgeklügelte Virtualisierungslösungen nötig.
Die Evolution von SDVs steckt noch in den Kinderschuhen, doch lässt sich ihr Potenzial bereits jetzt nicht mehr leugnen. Laufende Fortschritte im Bereich der Zonenarchitektur, der Konnektivitätstechnologien mit hoher Bandbreite und der speziell auf SDVs zugeschnittenen Entwicklungsplattformen werden den Aufstieg von autonomen Fahrzeugen und vernetzten Autoservices beschleunigen. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Autos nahtlos miteinander und mit der sie umgebenden Infrastruktur kommunizieren und so ein Netzwerk intelligenter Mobilität schaffen.