Intelligente Stromnetze gestalten die Zukunft
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Das Stromnetz hat sich weiterentwickelt mit dem Ziel, Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen, die Stabilität und Zuverlässigkeit zu verbessern und den Übergang zu sauberer, nachhaltiger Energie zu unterstützen. Intelligente Stromnetze (Smart Grids) nutzen heute Echtzeitüberwachung und Automatisierung, um den Wirkungsgrad zu erhöhen und den Energiefluss besser zu steuern.
Im Vergleich zu einem konventionellen Stromnetz umfasst ein Smart Grid mehrere neue Elemente:
• Verteilte Energieressourcen (Distributed Energy Resources, DER): Angesichts des zunehmenden Einsatzes erneuerbarer Energien suchen die Netzbetreiber nach Möglichkeiten, Erzeugung und Nachfrage auf lokaler Ebene auszugleichen. Kleine Systeme, die entweder Strom erzeugen oder speichern, haben sich als Lösung herauskristallisiert, aber die effektive Verwaltung dieser Systeme erfordert die Schaffung von Mikronetzen.[1]
• Fortschrittliche Infrastruktur für Zähler (Advanced Metering Infrastructure, AMI): Die Zwei-Wege-Kommunikation in Echtzeit ermöglicht eine feinere Steuerung der Stromflüsse. Netzweite Informationen über die Stromauslastung machen eine genauere Vorhersage der Nachfrage und automatische Einstellungen der Stromverteilung als Reaktion auf Veränderungen der Nachfrage möglich.[2]
• V2G (Vehicle-to-Grid)-Technologie: Die Auswirkungen von Elektrofahrzeugen auf die Stromnetze sind ein wichtiger Faktor, der Probleme bereitet. V2G trägt dazu bei, diese Auswirkungen abzumildern, indem sie es Elektrofahrzeugen ermöglicht, ungenutzte Energie aus ihren Batterien in das Netz einzuspeisen.[3] Fahrer können zudem sicherstellen, dass ihre Fahrzeuge nur bei hoher Stromerzeugung und geringem Bedarf elektrisch geladen werden, oder sie können den Ladezyklus so planen, dass er kurz vor der Nutzung beginnt.
Diese Innovationen sind erst der Anfang. Aufstrebende Technologien wie künstliche Intelligenz und 5G-Verbindungen erweitern die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Smart Grid noch weiter. In diesem Beitrag untersuchen wir einige dieser Technologien und ihre Auswirkungen sowie die Trends, die gegenwärtig den Energiesektor prägen.
Das Internet der Energie
Im Zuge der Weiterentwicklung des Smart Grid setzen die Betreiber zunehmend Technologien des Internets der Dinge (IoT) ein, beispielsweise vernetzte Sensoren und intelligente Stromzähler. Dieses als Internet der Energie (IoE)[4] bekannte Netzwerk miteinander verbundener Bauteile erfordert eine massive Verbindungsfähigkeit mit hoher Bandbreite. Dies liegt an der geografischen Ausdehnung des Netzes und der überwältigenden Menge an Daten, die von den Sensoren erzeugt werden.
Ähnlich wie die 5G-Technologie fortgeschrittene IoT- und Edge-Anwendungsfälle ermöglicht hat, ist sie der Schlüssel zur Verwirklichung des IoE.[5] Der 5G-Standard wurde von Grund auf zur Unterstützung des IoT entworfen und bietet außergewöhnliche Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit, egal ob in überlasteten städtischen Umgebungen oder an abgelegenen Orten.[6] Die durch 5G möglich gewordene Konnektivität ist ein bedeutender Fortschritt für das Netzmanagement, da sie die Automatisierung nahezu in Echtzeit unterstützt.[7]
Die Verbindungsfähigkeit ist jedoch nur ein Teil des Puzzles. Ein Smart Grid ist ein äußerst komplexes System, das riesige Datenmengen produziert, die eine gründliche Analyse und schnelle Reaktionen erfordern.[8] Um diese Ziele zu erreichen, erforschen die Betreiber neue Wege, das Netz mit KI zu betreiben.
Smart Grids noch intelligenter machen
KI bietet ein enormes Potenzial, den Betrieb von intelligenten Netzwerken zu revolutionieren. Laut einer von SAP Insights veröffentlichten Studie ist die Technologie von grundlegender Bedeutung für die Integration von Technologien für erneuerbare Energien, die Stabilisierung des Netzes und die Verringerung der Instabilität der Infrastruktur.[9] Die selbstlernende Anpassungsfähigkeit von KI ist besonders wertvoll für die Unterstützung erneuerbarer Energien und den Ausgleich der Stromerzeugung bei Nachfragespitzen und -tälern.
Weitere mögliche Vorteile der Integration von KI und Machine Learning in den Betrieb von Smart Grids sind:
• effizientere Energieerzeugung, genauere Vorhersagen und besseres Energiemanagement durch vorausschauende Analysen;
• schnelle, datengesteuerte Entscheidungsfindung;
• optimierte, individuelle Energienutzung und Ladung für Bauteile, Endgeräte und Elektrofahrzeuge;
• zeitgerechtere und differenziertere Ausfallwarnungen in Verbindung mit automatischer Umschaltung zur Behebung von Ungleichgewichten im Netz;
• proaktive Wartung und Verwaltung der Infrastruktur;
• verbesserte Sichtbarkeit und Transparenz für den gesamten Netzbetrieb und
• intelligente Erkennung und Beseitigung von Bedrohungen.
KI-gesteuerte Smart Grids bieten auch den Verbrauchern eine Reihe von Vorteilen, beispielsweise geringere Energiekosten, Tipps zur Nachhaltigkeit, bessere Preistransparenz und seltenere Ausfälle. KI und Machine Learning können auch neue Technologien wie Mikronetze unterstützen.
Vernetzte Energieinseln: Mikronetze
Stellen Sie sich ein Wohnviertel vor, in dem jedes Haus ein mit Sonnenkollektoren bestücktes Dach hat (Abbildung 1). Obwohl das Viertel mit dem Stromnetz der Stadt verbunden ist, kann jedes Haus genug Energie erzeugen, um seinen täglichen Bedarf zu decken.
Abbildung 1: Ein Wohnblock mit solarbetriebenen Häusern. (Quelle: slavun/stock.adobe.com)
Bei diesem Beispielviertel handelt es sich um ein Mikronetz – ein autarkes, dezentrales Netz, das aus mehreren miteinander verbundenen Lasten und verteilten Energieressourcen (Distributed Energy Resources, DERs) besteht.[10] Weitere Beispiele sind Krankenhäuser, Universitätsgelände und Geschäftsgebäude. Ein Mikronetz kann unabhängig betrieben oder von einem Unternehmen des Versorgungssektors verwaltet werden.
Mikronetze zeichnen sich im Allgemeinen durch drei Kern-Eigenschaften aus:
• Sie können Energie lokal erzeugen und verteilen
• Sie können sich vom zentralen Netz abkoppeln und unabhängig arbeiten (ein Prozess, der als Inselbetrieb bezeichnet wird)
• Sie werden von einem Microgrid-Controller verwaltet, der Energiepreise und Stromerzeugung überwachen und dynamisch einstellen kann.[11]
Mikronetze gewinnen zunehmend an Bedeutung, um die Widerstandsfähigkeit des Netzes zu verbessern, insbesondere in Gebieten, die für Naturkatastrophen anfällig oder abgelegen sind. Sie können verschiedene Energiequellen integrieren, darunter erneuerbare Energien und konventionelle Generatoren, und werden durch smarte Technologien gesteuert, um einen effizienten Wirkungsgrad der Energie zu gewährleisten.
Einer der größten Schwachpunkte eines konventionellen Verteilernetzes ist seine fehlende Redundanz. Fällt ein Kraftwerk aus oder wird das Netz aufgrund einer hohen Nachfrage überlastet, können ganze Regionen ohne Strom dastehen. Microgrids entschärfen dieses Problem, da bei einem Ausfall des Hauptnetzes ein Gebiet einfach auf das Microgrid umgestellt wird, bis die Stromversorgung wiederhergestellt ist. Microgrids sind auch ein wichtiger Schritt beim Übergang zu einer nachhaltigen Energieerzeugung, da sie die Last im Hauptnetz verringern.
Ein globaler Vorstoß für nachhaltige Energie
Seit der Ankündigung der Europäischen Union, bis 2050 klimaneutral zu werden,[12] haben Regierungen auf der ganzen Welt in ihre eigenen Nachhaltigkeitsinitiativen investiert. Auch wenn sich die Einzelheiten unterscheiden, geht es im Kern bei fast allen Initiativen um ein modernes Stromnetz und den Übergang zu erneuerbaren Energien:
• Thailand will bis 2037 ein Drittel seiner Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und sieht sich mit einem wachsenden Markt für Elektrofahrzeuge konfrontiert, der eine umfassende Modernisierung des Stromnetzes des Landes erfordert.[13]
• Schweden will bis 2040 vollständig auf fossile Brennstoffe verzichten und setzt dabei auf eine Kombination aus Wind, Bioenergie, Sonnenenergie und Eigenwärme. Das Land erreichte den 50-Prozent-Meilenstein im Jahr 2012, acht Jahre früher als geplant.[14]
• Die kolumbianische Regierung plant, bis 2030 rund 75 Prozent der Haushalte mit intelligenten Stromzählern auszustatten.[15]
• Japan hat sich verpflichtet, bis 2050 CO2-neutral zu sein, und hat deshalb einen Dekarbonisierungsfonds in Höhe von 155 Milliarden Dollar eingerichtet.[16]
Smart-Grid-Technologien spielen bei der Umstellung auf nachhaltige Energiequellen wie Solar-, Wind- und Wasserkraft eine entscheidende Rolle. Neben der intelligenten Regulierung von Nachfrageschwankungen unterstützen Smart Grids die vorausschauende und proaktive Wartung und ermöglichen eine bessere Systemverwaltung und -transparenz. Die vielleicht wichtigste unterstützende Technologie wird die Energiespeicherung sein.
Überbrückung der Lücke zwischen Angebot und Nachfrage
Mit Ausnahme von Kern- und Wasserkraft haben nachhaltige Energielösungen einen großen Nachteil: Sie können nur in begrenzten Zeitfenstern Strom erzeugen und haben keine Möglichkeit, die Leistung in Zeiten hoher Nachfrage zu erhöhen. Während ein Erdgaskraftwerk mehr Strom erzeugen kann, indem es mehr Ressourcen verbrennt, kann man die Sonne nicht wirklich heller scheinen lassen oder die Stärke des Windes erhöhen. Nachhaltige Lösungen können daher nicht ohne Energiespeicher skaliert werden.
Glücklicherweise zeichnen sich bereits mehrere vielversprechende Lösungen ab. Am bemerkenswertesten ist die Entwicklung von Festkörperbatterien, die auf Zellebene Energiedichten von bis zu 500 Wattstunden pro Kilogramm versprechen.[17] Smart Grids werden ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, da sie dynamisch erkennen, wann überschüssige Energie zu speichern und freizugeben ist, wodurch die Flexibilität und Zuverlässigkeit des Netzes verbessert wird.
Intelligente Fahrzeuge
Neben der Modernisierung des Netzes hat die Umstellung auf Elektrofahrzeuge auch das Potenzial, die Emissionen massiv zu reduzieren. Die meisten Länder, die sich der Klimaneutralität verschrieben haben, haben sich auch dazu verpflichtet, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor innerhalb der nächsten Jahrzehnte durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen. Neben der V2G-Technologie werden intelligente Stromnetze aus mehreren Gründen eine wichtige Rolle bei diesem Übergang spielen.
Zum einen tragen sie dazu bei, die Belastung durch das Laden von Elektrofahrzeugen durch intelligente Planung zu verringern. Dies kann bedeuten, dass Ladezyklen nur bei hoher Stromerzeugung oder geringer Nachfrage eingeleitet werden. Auch die Einstellung der Ladezyklen auf Grundlage der Bedürfnisse des Fahrers ist denkbar. Wenn ein Fahrer beispielsweise regelmäßig um 8 Uhr morgens das Haus verlässt, um zur Arbeit zu fahren, könnte das Fahrzeug einen langsamen Ladezyklus einplanen, um sicherzustellen, dass das Auto pünktlich fahrbereit ist und gleichzeitig die Auswirkungen auf das Netz minimiert werden.
Smart Grids können auch die Emissionsreduzierung von Elektrofahrzeugen erfassen, um Treibhausgasgutschriften zu erhalten. Die Auswirkungen dieser Innovation mögen auf der Verbraucherebene minimal sein, für Unternehmen, die große landgestützte Transportflotten betreiben, können sie jedoch zu erheblichen Kosteneinsparungen führen.
Smart Grids können letztlich als Brücke zwischen Elektrofahrzeugen und intelligenten Städten dienen. Zunächst erleichtert es die Kommunikation und Koordinierung für Aufgaben wie die Verkehrsüberwachung und -steuerung, doch letztlich kann die intelligente Strominfrastruktur dazu beitragen, vollständig autonomes Fahren zu ermöglichen.[18]
Unterstützung für intelligente Cybersicherheit
Da die Stromnetze immer stärker miteinander verknüpft und auf digitale Technologien angewiesen sind, werden sie auch immer mehr zur Zielscheibe für Angreifer. Die Gewährleistung der Sicherheit und Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen angesichts immer raffinierterer Cyber-Bedrohungen ist von entscheidender Bedeutung.
Um diesen Bedrohungen entgegenzuwirken, setzen die Betreiber Verschlüsselung ein, um die Datenübertragung im Netz zu schützen. Sichere Kommunikationsprotokolle sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung, da sie gewährleisten, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Teilen des Netzes sicher verläuft und somit das Risiko von Abhörmaßnahmen und Manipulationen minimiert wird.
Um den Betrieb des Netzes auch unter ungünstigen Bedingungen aufrechtzuerhalten und eine rasche Wiederherstellung zu ermöglichen, sind zudem Funktionen der Ausfallsicherheit erforderlich. Zu den wichtigsten Merkmalen gehören redundante Pfade für den Energiefluss und robuste Steuerungssysteme, die in der Lage sind, Ausfälle zu isolieren und zu beheben, ohne das gesamte Netzwerk abzuschalten.
Energie für eine intelligentere Zukunft
Seit der Inbetriebnahme des ersten elektrischen Netzes hat die Welt einen langen Weg zurückgelegt. Moderne Stromnetze sind mit einer Reihe von Anforderungen und Fallstricken konfrontiert, die vor vielen Jahren noch undenkbar gewesen wären. Glücklicherweise haben sich die Smart Grids weiterentwickelt, um diese Herausforderungen zu meistern.
Von 5G und KI bis hin zu Elektrofahrzeugen und Mikronetzen vollzieht sich langsam eine Revolution in der Art und Weise, wie wir Strom erzeugen, speichern und sogar nutzen. Und alles deutet darauf hin, dass das, was wir bisher gesehen haben, erst der Anfang ist.
[3] https://news.mit.edu/2023/minimizing-electric-vehicles-impact-grid-0315 [4] https://www.investopedia.com/terms/i/internet-energy-ioe.asp [5] https://www.csiro.au/en/news/all/articles/2023/november/introducing-the-internet-of-energy [9] https://www.sap.com/insights/smart-grid-ai-in-energy-technologies.html [10] https://www.microgridknowledge.com/about-microgrids/article/11429017/what-is-a-microgrid [11] https://www.energy.gov/eere/solar/solar-integration-distributed-energy-resources-and-microgrids [12] https://climate.ec.europa.eu/eu-action/climate-strategies-targets/2050-long-term-strategy_en [13] https://innovationatwork.ieee.org/smart-grid-transforming-renewable-energy/ [14] https://www.climatecouncil.org.au/11-countries-leading-the-charge-on-renewableenergy/ [17] https://about.bnef.com/blog/top-10-energy-storage-trends-in-2023 [18] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-031-25840-4_7 V2G Technology for the Smart Grid