Insassenüberwachung verändert das Autofahren
Das Autofahren entwickelt sich immer weiter – von einer reinen Aufgabe hin zu einem Erlebnis. Das Internet der Dinge (IoT) hat unser Denken verändert. Während das Autofahren bislang aus einer Reihe von mechanischen Verfahren bestand, die der Mensch steuerte, erwarten wir von der Technologie heute, dass sie den Prozess des Autofahrens optimiert und für eine bessere allgemeine Nutzererfahrung sorgt. Bis das Autofahren völlig autonom sein wird, kann die Insassenüberwachung (oder Innenraumsensorik) dem Fahrzeug signalisieren, als Reaktion auf den Zustand eines Fahrgastes oder des Fahrers einen bestimmten Prozess einzuleiten. Solche als Fahrerassistenzsysteme (FAS) bezeichneten Prozesse waren die ersten Anwendungen im Bereich der Fahrzeugsensorik.
Die Entwicklung der Sensoranwendungen
In den anfänglichen FAS wurden Sensoren eingesetzt, die den Zustand der Fahrzeugumgebung beurteilen, wie etwa der Auffahrwarner (1995), das automatische Notbremssystem (2003) und der Totwinkelassistent. Es folgte der adaptive Geschwindigkeitsassistent (Adaptive Cruise Control, ACC), der die Entwicklung auf andere, nicht sicherheitsrelevante Markttreiber für Automobilsensoren ausdehnte: Emissionsvorschriften, Fahrzeugleistung und Komfort im Fahrzeuginnenraum.
Nachdem auch die Bedingungen im Fahrzeuginneren in den Fokus geraten waren, konzentrierten sich die Hersteller als Nächstes auf die Erkennung der Anwesenheit von Kindern, um die Sicherheit im Fahrzeuginneren zu erhöhen. Für diese Funktion ist Präzision entscheidend, da kleine Kinder besonders schwer zu erkennen sind. Bisherige Technologien wie Digitalkameras und Gewichtssensoren sind nur eingeschränkt wirksam, insbesondere bei rückwärtsgerichteten Autositzen und leichteren Kindern. Die Bandbreite der Anwendungsfälle für die Insassenüberwachung erfordert einen technologieübergreifenden Ansatz. Dieser Artikel bietet einen Überblick über den aktuellen Stand der Insassen- und Fahrerüberwachung in Fahrzeugen.
Insassenüberwachung: Anwendungen und Technologie
Insassenüberwachungssysteme (Occupant Monitoring Systems, OMS) legen den Schwerpunkt vor allem auf die Anwesenheitserkennung von Kindern, während Fahrerüberwachungssysteme (Driver Monitoring Systems, DMS) die Sicherheit und Leistung des Fahrers während des Fahrzeugbetriebs in den Vordergrund stellen. Der jeweilige Schwerpunkt dieser Techniken ermöglicht Innovationen, um ihre Leistung zu steigern und ihren Nutzen zu erhöhen.
OMS
Betrachten wir zunächst die OMS. Hierbei handelt es sich um Konzepte, die deutliche Vorteile bieten, um die Sicherheit, den Komfort oder die Bequemlichkeit während des Fahrens zu erhöhen.
Kinderanwesenheitserkennung (CPD)
Bislang kamen in CPD-Systemen Druck-, Temperatur-, Infrarot-, Gewichts- oder Ultraschallsensoren sowie externe Sensortechnologie zum Einsatz. Diese Konzepte sind jedoch für die verschiedenen Situationen, in denen sich ein Kind im Auto befindet, nur bedingt geeignet, beispielsweise wenn sich ein Kind unter einer Decke oder in einem rückwärtsgerichteten Autositz befindet. Um die Erkennungsfähigkeit zu verbessern, wurden daher Radar und WLAN eingesetzt. Mittels Radar wird der Innenraum mit Funksignalen geringer Leistung gescannt (ähnlich dazu, wie autonome Fahrzeuge ihre Umgebung definieren). Gleichzeitig versucht das WLAN, über bestehende Netzwerke, subtile Bewegungen (wie das Atmen unter einer Decke) zu erkennen.
Beide Technologien überprüfen den Fahrzeuginnenraum unauffällig und kontinuierlich auf Aktivitätsänderungen. Damit unterscheiden sie sich etwa von der Aufnahme eines Fotos oder der Erkennung eines messbaren Unterschieds hinsichtlich der Bedingungen. Außerdem berücksichtigt das schnelle Scannen und Erkennen des Kindes die Zeitempfindlichkeit der Anwendung.
Auslösung des Beifahrer-Airbags
Die Airbag-Auslösung ist ein noch zeitempfindlicheres OMS. Bei älteren Technologien wird beim Aufprall durch eine Natriumazidreaktion (NaN3) ein Sensor ausgelöst, der einen Zünder aktiviert. NaN3 ist aufgrund der Stabilität seiner Produkte, zweiatomiger Stickstoff und Natriummetall, stark exotherm. Ein Nachteil dieser Reaktion besteht darin, dass diese Airbagsysteme zugunsten der Geschwindigkeit Abstriche bei der Präzision machen. In aktuellen Systemen kommen zusätzliche OMS-Sensoren im Fahrzeuginnenraum zum Einsatz, um eine noch schnellere adaptive Reaktion zu erhalten. Mit weiteren Sensoren können die Ingenieure den Füllstand des Airbags im Hinblick auf optimale Leistung und Fahrgastsicherheit anpassen. Diese Optimierung wird erzielt, indem das System eine Karte der Positionen der Fahrgäste erstellt und dem Airbag-Auslösesystem im Falle eines Unfalls so mitteilt, wo sich die Fahrgäste befinden.
Individuelle Einstellungen für Fahrgäste
Die oben genannten Sicherheitsmerkmale können zudem das Fahrerlebnis verbessern, was ein weiteres Ziel von OMS darstellt. So können Sensoren und Bildgebungstechnik beispielsweise einen bestimmten Fahrgast erkennen und bestimmte Bedingungen für ihn festlegen. Sitzposition und -winkel, Spiegelwinkel, ergonomische Anpassungen, Beleuchtung oder Infotainment-Einstellungen gehören zu den Funktionen, die dieses personalisierte Fahrerlebnis bietet. Für ein individuelles Fahrerlebnis können die Systemdesigner zudem Sensoren in Kameras im Fahrzeuginnenraum integrieren.
Steuerung von Klimaanlage/Lüftung
Eine einzigartige Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten für OMS ist die Steuerung der Klimaanlage durch die Fahrgäste. Mit zusätzlichen Sensoren lassen sich Klimaanlage oder Fahrzeugheizung automatisch einschalten und die Temperatursteuerung somit früher einleiten. Weitere bahnbrechende Innovationen sind etwa lokale Heizung oder Kühlung, eine Temperaturmessung an der Oberfläche des Fahrzeuginnenraums und die Messung der Stoffwechselrate der Insassen an Druckpunkten. Ein Algorithmus erfasst diese Daten und passt das Innenraumklima so an, dass die Stoffwechselrate des Fahrgastes gesenkt und damit ein angenehmerer Zustand herbeigeführt wird. Zu guter Letzt kann das System sich im Laufe der Nutzungsdauer die Vorlieben der verschiedenen Insassen einprägen. So entsteht ein Mikroklima, das sich schnell an individuelle Insassen anpassen und in kürzester Zeit für optimalen Komfort sorgen kann.
DMS
Zwischen der Fahrerüberwachung und der Insassenüberwachung bzw. Fahrgastüberwachung gibt es geringfügige Unterschiede. Die Fahrerüberwachung dient hauptsächlich dazu, Risiken aufgrund von Müdigkeit und allgemeiner Unaufmerksamkeit beim Betrieb eines Fahrzeugs zu minimieren. Die Insassenüberwachung hingegen ist eine Weiterentwicklung der Kinderanwesenheitserkennung. Der Einsatz von Biometrie, Sensoren und intelligenter Technologie zur Erkennung der Anwesenheit, Position und Aufmerksamkeit des Fahrers erhöht die Sicherheit und vermeidet viele menschliche Fehler, die zu Unfällen führen können.
Biometrie, Iriserkennung und Gesichtserkennung
Zur Verbesserung der Sicherheit an Flughäfen und anderen Orten wird immer häufiger die Iriserkennung eingesetzt. Das Verfahren macht die zweistufige Verifizierung oder Erkennung von Gesichtsprofilen, die in vielen aktuellen Anwendungen zum Einsatz kommen, schneller und genauer. Diese Technologie kann auch zur Bestätigung der Identität eines Fahrers und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit eingesetzt werden. Beruhend auf den individuellen optischen Merkmalen der Iris eines Menschen signalisiert sie dem Fahrzeug, die Türen zu entriegeln oder den Motor zu starten.
In Verbindung mit künstlicher Intelligenz (KI) und einer intelligenten Windschutzscheibe kann die Iriserkennung die Sichtmuster und den Müdigkeitsgrad des Fahrers feststellen. Zudem kann sie einschätzen, ob sich die wichtigen Informationen des Armaturenbretts in seinem Blickfeld befinden. Damit ist sie ein wirksames Instrument, um Unaufmerksamkeit am Steuer entgegenzuwirken.
Zur Erkennung wird die Iris mit Infrarotlicht beleuchtet. Diese Strahlen erkennen einzigartige Muster, die mit herkömmlichen Kameras nicht sichtbar sind. Aufgrund ihrer individuellen Merkmale ist die Iris bestens dafür geeignet, die Präzision der Gesichtserkennung zu erhöhen und schnellere und zeitsparende Sicherheitskontrollen zu ermöglichen.
Fahrerposition im Fahrzeug und Anlegen des Sicherheitsgurts
Einige der Technologien, die in OMS zur Anwendung kommen werden, gelten auch für DMS. Im Vergleich zu herkömmlichen Kameras kann beispielsweise die Kinderanwesenheitserkennung per Radar oder WLAN die Überwachung der Fahrerposition im Fahrzeuginnenraum verbessern. Außerdem können die adaptiven Sensoren zum Auslösen der Airbags auch das Anlegen der Sicherheitsgurte bestätigen. Laut der US-Behörde zur Kontrolle und Prävention von Krankheiten (CDC) senken Sicherheitsgurte in Fahrzeugen das Risiko schwerer Verletzungen bei einem Autounfall um 50 Prozent. Simulationen von Autounfällen mit angelegtem Sicherheitsgurt haben gezeigt, dass die Sicherheit erhöht wird, wenn eine korrekte Position des Fahrers gewährleistet ist. Dies ist zudem eines der wichtigsten Ergebnisse eines effektiven DMS.
Vorteile der Integration von OMS und DMS
OMS und DMS unterscheiden sich grundsätzlich. Wie zuvor erwähnt, liegt der Schwerpunkt von DMS auf der präzisen Erkennung negativer Veränderungen im Fahrerverhalten. Bei OMS hingegen steht die Sicherheit von Kindern im Vordergrund. Daher benötigen OMS bisher nicht das Präzisionsniveau, das für DMS erforderlich ist.
Mit vernetztem Fahren, KI und innovativer Sensortechnologie könnten OMS-Komponenten die DMS prägen und Algorithmen für maschinelles Lernen dabei unterstützen, dasselbe Ereignis aus einem anderen Winkel zu erfassen. Beispiel: Angenommen, ein Fahrer will prüfen, ob Wildtiere über die Straße laufen, und bewegt den Kopf dazu von einer Seite zur anderen. Während DMS hier lediglich einen Alarm auslösen würde, kann die OMS-Bildgebung das Verhalten ganzheitlicher festhalten, denn sie erfasst das gesamte Sichtfeld. Die Integration von OMS und DMS ermöglicht autonomes Fahren.
Mit zunehmender Fahrzeugautonomie sinkt die Notwendigkeit für den Fahrer, seine volle Aufmerksamkeit auf die Straße zu richten. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach mehr Komfortmerkmalen. Autonome Fahrzeuge werden zudem die Integration von OMS und DMS ermöglichen und so die Sicherheit gewährleisten und die Fähigkeiten des Fahrers erhöhen.
Fazit und wichtigste Erkenntnisse
Im Zuge der digitalen Transformation der Automobilindustrie hat sich die Insassenüberwachung durch eine verbesserte Kindererkennung, Steuerung des lokalen Mikroklimas, verbesserte biometrische Identifikation und erweiterte Anpassungsmöglichkeiten weiterentwickelt. Das Hauptziel für neue OMS-Anwendungen bleibt jedoch die Erhöhung der Sicherheit. Erfreulicherweise bieten viele der Optimierungen von OMS und DMS beim gemeinsamen Einsatz große Vorteile – und zwar im Hinblick auf eine erhöhte Insassensicherheit und auf ein verbessertes Fahrerlebnis.