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Das Angebot an Fahrerüberwachungssystemen (Driver Monitoring Systems, DMS)

Laut einer Studie aus dem Jahr 2021 von der National Highway Transportation Safety Administration (NHTSA) ereigneten sich 2020 in den Vereinigten Staaten über 38.000 Verkehrsunfälle, von denen etwa 95 % durch menschliches Versagen verursacht wurden. Befürworter von automatisierten Fahrsystemen argumentieren seit Langem, dass die Technologie für automatisiertes Fahren entscheidend dazu beitragen wird, die Auswirkungen menschlichen Versagens zu verringern und das Fahren sicherer zu machen. Experten sind sich jedoch einig, dass vollautomatisierte Fahrsysteme noch Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte entfernt sind, sodass der Faktor Mensch vorerst ein wesentlicher Bestandteil der Gleichung bleibt. Mit der zunehmenden Verbreitung halbautomatischer Fahrsysteme in Pkw hat eine relativ neue Form menschlichen Fehlverhaltens ihr Haupt erhoben: Ablenkung beim Fahren. Die Besorgnis über abgelenkte Fahrer, die ihre Augen anstatt auf die Straße auf ihre Handys, Tablets usw. richten und nicht aufmerksam genug sind, um vermeidbare Kollisionen und andere Unfälle zu vermeiden, nimmt mit der zunehmenden Verbreitung automatisierter Fahrsysteme weiter zu. Obwohl es bei automatisierten Fahrsystemen nur sporadisch zu bestätigten Fehlfunktionen gekommen ist, gibt es nach wie vor berechtigte Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit, vor allem im Hinblick auf menschliches Versagen.

Wie stellen Automobilhersteller und Regulierungsbehörden sicher, dass Fahrer, die Fahrzeuge mit automatisierten Fahrsystemen bedienen, auf die Straße achten? Eine Methode ist der Einsatz von Technologien, die bereits seit Jahren in kommerziellen Lkw-Flotten eingesetzt werden: Fahrerüberwachungssysteme (DMS). DMS verwenden Infrarotsensoren, um Gesichts- und Augenbewegungen des Fahrers zu überwachen und festzustellen, ob er aufmerksam ist und aus der Windschutzscheibe blickt. Stellt das System fest, dass der Fahrer abgelenkt oder unaufmerksam ist, ertönt ein Warnton oder Innenleuchten blinken auf, um ihn vor möglichen Gefahren auf der Straße zu warnen. Wenn der Fahrer nicht reagiert, werden die Bremsen betätigt.  In den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und China wurden Gesetze erlassen, um DMS bis zum Ende dieses Jahrzehnts zur Pflichtausstattung in Neuwagen zu machen. Werfen wir einen Blick auf den aktuellen Stand von DMS und auf ihre mögliche Entwicklung.

DMS – Vergangenheit und Gegenwart

Wie bereits erwähnt, wurden DMS in den USA, in Teilen Europas und in Asien für das Flottenmanagement von Nutzfahrzeugen eingesetzt. Es hat sich gezeigt, dass DMS die Zahl der Unfälle im Transportgewerbe verringert und dazu beigetragen haben, dass die Fahrer ihre Zeit effizienter nutzen und die strengen Sicherheitsprotokolle, die das Führen großer Nutzfahrzeuge mit sich bringt, einhalten können. Bis vor kurzem beruhten diese Systeme jedoch in erster Linie auf der Überwachung der Fahrer durch Menschen, d. h. die von DMS erfassten Videos mussten in die Cloud hochgeladen und dann von Überwachungsbeauftragten geprüft werden. Die dadurch entstandene Verzögerung zwischen dem Auftreten von Ablenkungserscheinungen beim Fahrer und der Aktivierung des Fahrerwarnsystems durch den Überwachungsbeauftragten war ein erheblicher Nachteil für die Funktionalität dieser frühen Systeme. Durch den Einsatz von KI können DMS den Fahrer in Echtzeit warnen, wenn seine Aufmerksamkeit abschweift.

Die meisten DMS-Technologien funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip. An der Lenksäule ist eine mit Infrarot-LED-Sensoren ausgestattete Kamera angebracht, die die Kopfhaltung des Fahrers überwacht: Blickt er nach oben auf die Straße oder nach unten auf sein Handy? Wie sind die Bewegungen seiner Augen und wie oft blinzelt er? Menschen blinzeln häufiger, wenn sie schläfrig sind, als wenn sie wach und aufmerksam sind. Wenn das DMS feststellt, dass der Fahrer nicht ausreichend auf mögliche Gefahren im Straßenverkehr oder unsichere Verhaltensweisen, wie z. B. das Verlassen der Fahrspur, reagiert, aktiviert es den Aufmerksamkeitsassistenten. Das DMS lässt das automatisierte Fahrsystem dann die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, wenn der Fahrer nicht rechtzeitig eingreift (Abbildung 1). Lexus war der erste Automobilhersteller, der 2006 DMS in einem Pkw einführte, rasch gefolgt von Toyota, der Muttergesellschaft von Lexus, und Volvo. Amerikanische Automobilhersteller wie Ford und Cadillac sowie europäische Unternehmen wie BMW haben ebenfalls DMS entwickelt und in einige ihrer Modelle integriert. Im nächsten Jahrzehnt werden aller Voraussicht nach praktisch alle Automobilunternehmen in DMS investieren.

Abbildung 1: Aktivierung des Aufmerksamkeitsassistenten

DMS: Systemimplementierung und Sicherheit

Das Hauptanliegen bei der Implementierung eines Fahrerüberwachungssystems ist die Sicherheit. Die Systemarchitektur muss in Echtzeit auf verschiedene Hinweise aus der Umgebung reagieren, die auf potenzielle Gefahren oder unvorhergesehene Hindernisse hinweisen. Diese Hinweise werden von zahlreichen Sensoren beobachtet und aufgezeichnet, die kombiniert und/oder verglichen werden, um abweichende Messungen in einem Prozess zu identifizieren, der oft als „Sensorfusion“ bezeichnet wird. Ein spezialisierter Prozessor mit der erforderlichen Rechenleistung und den wichtigsten Funktionen ist ein hervorragender Ausgangspunkt für diese Art der Systemimplementierung. Der S32V234 Vision- und Sensorfusionsprozessor von NXP Semiconductors bietet die notwendige Plattform, um den Rest einer modernen DMS-Lösung aufzubauen.

Der S32V234 Vision- und Sensorfusionsprozessor von NXP Semiconductors bietet einen vollständig integrierten Ansatz für sicherheitskritische Designs wie DMS. Er verwendet eine heterogene Mischung aus einer Allzweck-CPU, einer speziellen Verarbeitung über eine 3D-GPU, duale APEX-2 Visionsbeschleuniger, die durch OpenCL™, APEX-CV und APEX-Graph aktiviert werden, und einem Embedded-Bildsensorprozessor (ISP) zur Beschleunigung der HDR- und Farbverarbeitung. Die CPU umfasst einen Quad-Core Arm® Cortex®-A53 mit 1 GHz für rechenintensive Algorithmen und einen Arm Cortex-M4 Mikrocontroller mit 133 MHz, der die weniger rechenintensiven Systemverwaltungsfunktionen übernimmt.

Als zusätzliches Sicherheits- und Zuverlässigkeitsmerkmal verfügen die Prozessoren alle über Fehlerkorrekturcodes (ECC) zum Schutz von Daten und Anweisungen für die Prozessor-Caches, den internen 4-MB-Scratchpad-Speicher und den DRAM-Speicher. Der S32V234 enthält außerdem eine embedded Crypto Security Engine (CSE) mit 16 KB sicherem On-Chip-RAM und -ROM, da Sicherheit immer mehr zu einem kritischen Faktor für den Schutz interner IP und den Schutz vor externen Angriffen wird. Der S32V234-Prozessor ist Teil des NXP SafeAssure™-Programms. Dieses Programm unterstützt FAS-Applikationen nach ISO 26262 ASIL B und umfasst mehrere wichtige DMS-Elemente: Fußgängererkennung, Objekterkennung, Spurhalteassistent, intelligente Fernlichtsteuerung und Verkehrszeichenerkennung. Der S32V234-Prozessor ist zudem für die Zuverlässigkeit von Fahrzeugen, Funktionssicherheit und Sicherheitsmaßnahmen zur Unterstützung der Fahrzeug- und Industrieautomatisierung ausgelegt.

DMS: Das gegenwärtige und zukünftige regulatorische Umfeld

Der Weg hin zu einer DMS-Pflicht für Neufahrzeuge ist in der EU bereits im Gange. 2019 hat der EU-Ministerrat eine allgemeine Sicherheitsverordnung erlassen, die vorschreibt, dass alle neu hergestellten und in der EU erhältlichen Kraftfahrzeuge mit verbesserten Sicherheitsmerkmalen ausgestattet sein müssen, einschließlich der Technologie zur Fahrerüberwachung. Die neuen Vorschriften treten ab diesem Jahr in Kraft. Während sie derzeit nur für neue Autos mit einem gewissen Grad an automatisiertem Fahren gelten, werden sie ab 2026 für alle neu hergestellten Autos in der EU gelten. Der Rat schätzt, dass diese Gesetzgebung in den nächsten zehn Jahren über 100.000 Autounfälle verhindern wird. Die Gesetzgebung ist nicht die einzige Möglichkeit, mit der die EU in DMS investiert. Das New Car Assessment-Programm der EU, auch bekannt als Euro NCAP, verlangt nun, dass neue Autos über Fahrerüberwachungsfunktionen verfügen müssen, um eine Fünf-Sterne-Sicherheitsbewertung zu erhalten.

In China, wo 2018 mehr als 4 Millionen Autos verkauft wurden, bevor die Pandemie die Verkaufszahlen einbrechen ließ, setzen sich DMS ebenfalls als vorgeschriebenes Sicherheitsmerkmal durch, wenn auch langsamer als in der EU. Jiangsu war die erste chinesische Provinz, die 2018 DMS in Fernlastwagen und Fahrzeugen, die Gefahrgut transportieren, verbindlich vorschrieb – eine ähnliche nationale Vorschrift wird in Kürze erwartet. Angesichts der Vorreiterrolle der USA und Europas ist es sinnvoll, dass das bevölkerungsreichste Land erhebliche Investitionen in die Fahrsicherheit tätigt.

In den USA unternimmt der Kongress zudem gesetzliche Schritte, um Fahrerüberwachungssysteme in neuen Autos verbindlich vorzuschreiben. Im Juli 2020 verabschiedete das Repräsentantenhaus den Moving Forward Act –  einen Gesetzentwurf, der das Autofahren durch Investitionen in die Infrastruktur und die Verkehrssicherheit sicherer machen soll. Der Gesetzentwurf enthält eine Bestimmung, die der EU-Sicherheitsverordnung ähnelt und Fahrerüberwachungssysteme in allen neu hergestellten und in den USA verkauften Fahrzeugen vorschreibt. Während der Moving Forward Act noch vom Senat und vom Präsidenten genehmigt werden muss, haben die Mitglieder des Senatsausschusses für Handel, Wissenschaft und Verkehr ein ähnliches Gesetz in den Senat eingebracht. Das Gesetz „Stay Aware for Everyone Act“ (SAFE) weist das US-Verkehrsministerium an, die Auswirkungen von automatisierten Fahrsystemen auf die Ablenkung des Fahrers und die Wirksamkeit von DMS bei der Verringerung von Autounfällen im Zusammenhang mit unaufmerksamer Fahrweise zu untersuchen. Die Forschungsergebnisse könnten die Regulierungsbehörden veranlassen, Vorschriften zu erlassen und durchzusetzen, die die Automobilhersteller verpflichten, ihre neuen Modelle mit der DMS-Technologie auszustatten. SAFE würde vorschreiben, dass die Forschung innerhalb von zwei Jahren nach der Verabschiedung des Gesetzes abgeschlossen sein muss und dass die Auswirkungen von DMS auf die Fahrsicherheit innerhalb von vier Jahren ermittelt werden müssen.

Sollte sich herausstellen, dass DMS die Sicherheit von Fahrern wesentlich verbessern, haben die Hersteller zwei weitere Modelljahre Zeit, um die Vorschriften zu erfüllen. Die Gesetzgebung soll laut ihren Befürwortern „agnostisch“ sein, d. h. sie wird keine bestimmten Technologien oder Entwickler bevorzugen. Beide Gesetzesentwürfe wurden im Senat aufgrund der Pandemie und anderer Faktoren zurückgehalten. Obwohl keine festen Fristen für ihre Verabschiedung festgelegt wurden, wird erwartet, dass beide Gesetzesentwürfe von beiden Parteien unterstützt werden, wenn sie irgendwann in diesem Jahr zur Abstimmung kommen.

Die Zukunft von DMS

In Anbetracht des internationalen Interesses an der massenhaften Implementierung von (teil-)automatisierten Fahrsystemen und der Verbesserung der Fahrsicherheit haben DMS allem Anschein nach eine große Zukunft auf dem Automobilmarkt von morgen. Die Implementierung von KI hat DMS bereits effizienter gemacht und ihre Funktionalität verbessert. Der nächste Schritt in der Entwicklung von DMS wird wahrscheinlich die Integration von Gesichtserkennungssoftware sein. Subaru setzt diese bereits in seinem DriverFocus-System ein. Das System warnt den Fahrer, wenn er den Blick länger als drei Sekunden von der Straße abgewandt hat, und versetzt gleichzeitig das automatisierte Fahrsystem des Fahrzeugs in erhöhte Alarmbereitschaft, falls es eingreifen muss. Jedoch gibt es Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre, da die Kameras während der Fahrt ständig Videos aufzeichnen. Diese Bedenken müssen wahrscheinlich ausgeräumt werden, bevor Gesichtserkennungssoftware ein weithin akzeptiertes Merkmal von DMS wird. Trotz dieser Bedenken ist davon auszugehen, dass sich DMS in den nächsten zehn Jahren in erheblichem Umfang in Pkw ausbreiten werden, wenn die EU-Sicherheitsvorschriften und die Gesetze des Repräsentantenhauses und des Senats in der einen oder anderen Form verabschiedet werden. Stellen Sie sich also darauf ein, dass Ihr Auto Ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken wird, wenn Sie nicht auf die Straße achten.